Schwerin, den 22.10.2014
Todesurteil gegen Menschenrechtler Shaikh Nimr Bāqir an-Nimr
Die Nachricht über das Todesurteil gegen den schon seit zwei Jahren inhaftierten schiitischen Geistlichen, Shaikh Nimr Bāqir al-Nimr, durch das Sonderkriminalgericht in Saudi Arabien löst weltweit große Bestürzung nicht nur bei schiitischen Muslimen aus.
Dieses nichtreligiöse Sondergericht wurde offiziell gegen Terrorismus 2008 eingerichtet, welches nicht zufällig zugleich auch massiv gegen Bürgerrechtler vorgeht.
Wir sind Zeuge von Protesten der Bürger innerhalb und außerhalb der islamischen Welt wie auch der Reaktion schiitischer Großgelehrter. Bislang sind offizielle Regierungserklärungen v.a. im Westen aber ausgeblieben. In den Medien ist dieser Fall bisher ebenfalls nur wenig verbreitet worden, anders als seinerzeit zur wegen angeblicher Apostasie vom Tode bedrohten sudanesischen Christin Maryam Yaḥyā Ibrāhīm Isḥāq, die gerettet werden konnte.
Wie können seine islamische Aktivitäten, seine leidenschaftliche Werbung für den Islam auf Basis des prophetischen Ratschlags bezüglich der zwei gewichtigen Erbschaften des Propheten (sas) und sein ziviler Ungehorsam für eine Verwirklichung grundlegender und bei uns selbstverständlicher Bürgerrechte als Verbrechen geahndet werden? Auch wenn er ein harter Kritiker des autokratischen saudischen Königshauses ist, so war er es als prominente Stimme des Protestes in Saudi-Arabien, der die gegen ihre andauernde massive Unterdrückung protestierenden Demonstranten der schiitischen Minderheit in der Provinz aš-Šarqiyya trotz Polizeikugeln stets dazu aufrief, statt Gewalt „den lauten Ruf der Stimme“ hören zu lassen. Er ist ein Verfechter der freien Wahl. Die Staatsanwaltschaft klagte ihn letztes Jahr indes wegen der „Unterstützung von Terrorismus“ und „versuchten Kriegs gegen Gott“ (muḥāraba) an. Ihm wird vorgeworfen, „ausländische Einmischung zu fordern“, „Ungehorsam gegen den Herrscher“ zu üben, „Sektierertum“ zu betreiben und zu Demonstrationen initiiert, diese angeführt oder daran teilgenommen zu haben.
Selbst sein Bruder Muḥammad an-Nimr wurde verhaftet, weil er die Nachricht zu diesem Urteil per Twitter bekannt machte. Zuvor wurde auch schon der minderjährige (!) Sohn Muḥammads zusammen mit einer weiteren Person zum Tode verurteilt. Das Urteil ist noch nicht vollstreckt worden.
In Saudi-Arabien wird zumeist öffentlich enthauptet. Das Königreich steht auf Platz 5 der Hinrichtungsländer weltweit.
Die drohende Vollstreckung dieses mit absurden „Straftatsbeständen“ begründeten Willkürurteils wird sicherlich zum Aufruhr unter schiitischen und sunnitischen Muslimen führen, muss aber auch alle vernünftigen und nach Freiheit strebenden Menschen wachrütteln.
Daher werden alle Regierungen, einschließlich der Bundesregierung, internationale Organisationen, Menschenrechtbewegungen und einzelne Aktivisten dazu aufgefordert, gegen dieses grausame und ungerechte Urteil etwas zu unternehmen und auf das saudische Regime Druck auszuüben, so wie sie es kürzlich für die zum Tode verurteilten sudanesische Christin getan haben. Wir fordern die sofortige und bedingungslose Aufhebung dieses absurden Todesurteils gegen Shaikh an-Nimr und seine unverzügliche Freilassung.