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Blutiger Regen über England im Jahre 685? |
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"Blodi ren" auf Britannien?
Es wird immer wieder berichtet, dass es zum Zeitpunkt des Martyriums von Imam Husain (as) in England Blut vom Himmel regnete.
Tatsächlich gibt es Quellen, die so etwas berichten. Zitiert wird meist aus der neuenglischen Übersetzung der mittelalterlichen Anglo-Saxon Chronicle von James Ingram, Everyman's Library: London, 1823. Dort wird folgender letzter Satz zum Jahr 685 auf S. 56 wiedergegeben:
"This year there was in Britain a bloody rain, and milk and butter were turned to blood." (In diesem Jahr war in Britannien blutiger Regen, und Milch und Butter wurden verwandelt zu Blut.)
Der originale Wortlaut dieses Schlusssatzes zum Eintrag von 685 mutet fast wie ein altdeutscher Text an, war Altenglisch doch näher am Althochdeutschen als das heutige Englisch:
"Her wearð on Brýtene blodi ren, 7 meolc 7 buter wurdon gewende to blode" (Hier war auf Britannien blutiger Regen, & Milch & Butter wurden verwandelt zu Blut)
[ð ist wie im Althochdeutschen und heute noch im Isländischen das stimmhafte TH wie in englischem "father"; die "7" ist die in mittelalterlichen Handschriften häufig und im Irischen bis heute anzutreffende und von den römischen Tironischen Noten stammende Kürzung für lateinisches "et" (&, Gälisch agus), d.h. "und"]
Als Quelle gibt er an: "Cot. N.S."
In der Edition von Benjamin Thorpe (The Anglo-Saxon chronicle, according to the several original authorities, vol. 1,Longman, Green, Longman, and Roberts, London 1861) steht dieser Satz auf S. 63 sehr ähnlich, wenn auch gleich am Anfang des Eintrags:
"Her wearþ on Brytene blodi ren, 7 meolc 7 butere wurdon gewend to blode" (Hier war auf Britannien blutiger Regen, & Milch & Butter wurden verwandelt zu Blut)
[þ ist im Gegensatz zu ð die stimmlose Form des TH wie in englischem "think", welches im Althochdeutschen ebenfalls vorkam und zusammen mit dem ð heute noch im Isländischen zu finden ist. Die Zeichen þ und ð wurden oft synonym verwendet, stellte also dann nur eine Schreibungsvariante dar, ohne einen Bedeutungsunterschied der Wörter zu bewirken. "Wearþ " und "wearð" waren also dasselbe.]
Als Quelle gibt er die Version "Cott. Domit. A. VIII" an. Es handelt sich um das sog. Manuskript F der Angelsächsischen Chronik, d.h. The Bilingual Canterbury Epitome; British Library, Cotton Domitian A VIII. Diese Version enthält Einträge auf Altenglisch und Latein.
Die originale Fassung jener Passage aus Manuskript F (fol. 43v) sieht dann auch so aus:
[für größere Abbildung bitte auf das Bild klicken, zum Digitalisat der gesamten Seite (fol. 043v) siehe hier]
Die anderen der neun bekannten Versionen der Anglo-Saxon Chronicle erwähnen dieses Ereignis jedoch nicht und haben zum Jahr 685 auch einen völlig anderen Text. Hier einmal eine Aufstellung aller Manuskripte:
Manuscript A (Corpus Christi College, Cambridge MS 173 ff. 1-32)
Dieses Manuskript, das älteste erhaltene, wird mitunter Parker Chronicle genannt, benannt nach Matthew Parker, dem Erzbischof von Canterbury, der es einst besaß. Zu seiner Frühgeschichte ist nur wenig bekannt, nur dass es zwischen 1001 und 1012/13 in Manuskript G in Teilen übertragen worden ist, und dass es im späten 12. Jahrhundert in Christ Church, Canterbury, gewesen sein muss, wo der Verfasser von Manuskript F es benutzt hatte, und es erhielt eine Reihe von Eintragungen durch den Schreiber des Manuskriptes F und anderer Schreiber aus Canterbury, was bis 1070 in Altenglisch und bis 1093 in Latein gehalten ist. Die Inhalte einiger für „A“ einmaliger Annalen zeigen eine starke Verbindung zu Winchester, auch was einiger Schreiber angeht, die dem Text zugeschrieben werden. Die Theorie, dass die ältesten Abschnitte in Winchester abgeschrieben worden seien, ist noch umstritten.
Manuscript B (London, British Library, Cotton Tiberius A.vi)
Dieses Manuskript ist von einem einzigen Schreiber im späten 10. Jahrhundert abgeschrieben worden und beinhaltet Einträge in Altenglisch bis 977. Das Manuskript wurde traditionell mit dem Orte Abingdon verknüpft, wobei dieses umstritten ist. Dieses Manuskript muss in Christ Church, Canterbury um 1100 gewesen sein, als den Manuskripten A und B durch denselben Schreiber eine Papst-Liste angefügt worden ist.
Manuscript C (London, British Library, Cotton Tiberius B.i)
Dieses Manuskript beinhaltet Annalen in Altenglisch bis 1066, wo es inmitten des Themas zu Stamford-Bridge abbricht. Ein Zusatzblatt, verfasst im 12. Jahrhundert, schließt diesen Teil ab. Es wurde von 7 oder 8 verschiedenen Schreibern Mitte des 11. Jahrhunderts mit leichten Änderungen geschrieben, was die Vermutung aufkommen lässt, dass es von 10043-48 jährlich aktualisiert worden sein könnte. Der Text zu 977 lehnt sich stark an das Manuskript B an, welches sich mit B und C weitgehend deckt.
Manuscript D (London, British Library, Cotton Tiberius B.iv)
Dieses Manuskript beinhaltet Annalen in Altenglisch bis 1079, wo es inmitten des Satzes auf halber Seite in Folio-Format abbricht. Nicht mehr als eine halbe Seite kann verloren gegangen sein, da eine neue Eintragung (für 1130) oben auf der anderen Seite beginnt. Es ist von 10 bis 18 Händen geschrieben worden, wie es typisch war für das späte 11. und frühe 12. Jahrhund. Der Abschnitt zu den Jahren 262 bis 692/3 ist verloren gegangen. Das Manuskript ist der Ausfluss einer nördlichen Entwicklung der Originalchronik, belannt als “Nördliche Rezension” (mit Material aus Bede’s Historia Ecclesiastica und anderer nördlicher Quellen erweitert) und ist dem Manuskript C ähnlich.
Manuscript E (Oxford, Bodlean Library, MS Laud 636)
Dieses Manuskript wurde höchstwahrscheinlich 1121 in Peterborough abgeschrieben (vielleicht zur Rekonstruktion von Verlusten nach dem großen Brand von 1116) und reicht bis 1154. Wie Manuskript D ist dieses Manuskript ein Teil der „Nördlichen Rezension“ der Chronik, schließt aber auch normannische Chroniken in Latein und einmaliges Material zu Peterborough ein. Dieses ist auch als die Laud Chronicle bekannt, benannt nach dem Erzbischof Laud, dem letzten Privatbesitzer, welcher die Chronik 1638 als Peterborough-Chronik erworben hatte.
Manuscript F (London, British Library, Cotton Domitian A.viii)
Diese zweisprachige Chronik mit Einträgern in Altenglisch und Latein wurde in Christ Church, Canterbury, kurz nach 1100 geschrieben. Sie wurde aus verschiedenen Quellen zusammengestellt, einschließlich Manuskript A, dem unmittelbaren Vorläufer von Manuskript E, den Annales Wintonienses und einer Sammlung Normannischer Chroniken.
Manuscript G (London, British Library, Cotton Otho B.xi)
Eine frühe Kopie des Manuskripts A aus dem 11. Jh.. Dieses Manuskript wurde bei einem Brand im Jahre 1731 völlig zerstört. Es gibt aber Abschriften bzw. Transkripte dieses Textes.
Es gibt einige Manuskripte, die zwar nicht Teil der Chronik sind, aber zum besseren Verständnis von der Forschung herangezogen werden.
Manuscript H (London, British Library, Cotton Domitian A.ix)
Ein Fragment der Chronik zu den Jahren 1113-1114, jedoch unabhängig von den Angaben in Manuskript E.
Manuscript I (London, British Library, Cotton Caligula A.xv)
Eine Art Oster-Tafel-Chronik
Asser's Life of Ælfred (London, British Library, Cotton MS Otho A XII/1)
Dieses ist ein dem Manuskript A ähnlicher Textauszug, welcher mit dem Jahr 887 endet, d.h. zum Zeitpunkt, als der Mönch John Asser dieses ca. 893 für seine „Vita Alfredi“ zum angelsächsischen König von Wessex, Alfred den Großen, nutzte.
The Annals of St Neots (Cambridge, Trinity College, MS R.7.28)
Dieses ist ein Textauszug aus der Chronik bis zum Jahre 912.
The Chronicon of Æthelweard (Textedition von 1596)
Diese ist ebenfalls angelehnt an einen Chroniktext ähnlich dem des Manuskriptes A.
In den meisten Übersetzungen der Chronik, sofern es nicht die Version A ist, wird besagtes Zitat in Neuenglisch wiedergegeben, meist ohne genaue Quellenangabe, manchmal mit Hinweis auf Manuskript F.
Dieser Satz ist also tatsächlich belegt. Ob der blutige Regen und auch die "Blutwerdung" von Milch und Butter tatsächlich so geschehen sind, kann natürlich nicht geprüft werden. Vielleicht ist es nur eine Ausschmückung in der Quelle. Vielleicht hat der "blodi ren" "nur" mit dem Ausbruch des Vesuv gemäß spätantiken und mittelalterlichen Quellen im selben Jahr zu tun, wie manche mutmaßen, wobei die "Blutwerdung" von Milch und Butter damit nicht unbedingt erklärbarer wird.
Bleibt noch die Frage nach dem Jahr. Es wird ja in der Chronik vom Jahre 685 berichtet, während aber Imam Husains Martyrium im Jahre 680 stattgefunden hat. Es ist dazu anzumerken, dass die Angelsächsiche Chronik ihre Unstimmigkeiten hat, was damals nichts Ungewöhnliches war. Vor allem sind die Datierungen nicht sicher, so dass man, wenn man annimmt, dass beide Ereignisse etwas mit einander zu tun haben, man dieses im Bereich des Möglichen sehen kann.
Es sei hier aber ausdrücklich gesagt, dass dieses Ereignis natürlich nicht als Beweis herangezogen werden soll oder dass dieses benötigt wird als Beleg, aber es ist, sofern die Ungenauigkeit der Datierung berücksichtigt wird, durchaus ein interessanter Aspekt der Geschichte. Ob und wann die Dinge aus der Angelsächsischen Chronik so gelaufen sind, lässt sich wohl kaum wirklich naschweisen. ... Und Allah weiß es am besten!
Verwendete und weitere nützliche Quellen:
http://asc.jebbo.co.uk/intro.html
https://archive.org/details/anglosaxonchroni01thor
https://archive.org/details/saxonchroniclewi00ingr
http://www.braesicke.de/ortho.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Tironische_Noten
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