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Lale Akgün, eine "liberale Muslima" |
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Dr. Lale Akgün und ihr Islamverständnis
Vorbemerkungen
Am 27. September 2013 gab es im Schweriner Schleswig-Holstein-Haus eine Buchlesung der ehemaligen Bundestagsabgeordneten, früheren Islambeauftragten der SPD, Kölner Lokalpolitikerin und Autorin Dr. Lale Akgün. Sie las aus ihren Büchern „Tante Semra im Leberkäseland“ und „Aufstand der Kopftuchmädchen“. Veranstalter war die Arbeiterwohlfahrt, namentlich der AWO Kreisverband Schwerin-Parchim e.V., in Kooperation mit der Gleichstellungsbeauftragten der Landeshauptstadt Schwerin. Begleitet wurde die Autorin von einer örtlichen ZDF-Mitarbeiterin.
Der Raum war voll. Man bat die fünf muslimischen Vertreter, vorne zu sitzen, wobei diese es vorzogen eine Reihe weiter hinten Platz zu nehmen. Ausdrücklich begrüßt wurden der Vorsitzende des Islamischen Bundes in Schwerin, Herr Muhammad Adib Khanji, und der Vorsitzende des Islamischen Zentrums Schwerin, Herr Haiko Hasan Hoffmann.
Zunächst las die Autorin aus dem autobiografisch gehaltenen Buch „Tante Semra im Leberkäseland“, indem einige Episoden der Ankunft der Familie in den Sechzigern als Gastarbeiter in der Bundesrepublik humorvoll thematisiert wurden. Die Autorin bewies eindrucksvoll ihren Humor und literarische Begabung, mit der sie ihre Erinnerungen an diese Zeiten darbot. Hier sei angemerkt, dass in diesem Bericht bzw. Kommentar nicht beabsichtigt ist, ihre Vorlesungen auszuwerten, sondern allenfalls Anmerkungen dazu zu machen, wenn es erforderlich ist für ein besseres Verständnis.
Parallel zum genannten Buch las sie aus dem bzw. kommentierte sie zu ihrem 2011 bei Piper erschienenen Buch „Aufstand der Kopftuchmädchen. Deutsche Musliminnen wehren sich gegen den Islamismus“, in dem Sie ihre Sicht der Dinge hinsichtlich der islamischen Regeln versus deutsche Gesellschaft darlegte. Während ihres Vortrags legte sie wiederholt großen Wert darauf, dass sie einer allgemein und auch islamisch-theologisch sehr gebildeten Familie entstamme und nannte sich selbst eine liberale Muslimin. Rückversichernd betonte sie, dass sie dieses Buch in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Beyza Bilgin, ehemalige Dekanin für Religionspädagogik an der Islamisch-Theologischen Fakultät der Universität Ankara, welche nach Dr. Akgün den sog. liberalen Islam vertrete, erarbeitet habe. Die sog. Schule von Ankara ist laut Wikipedia Mitte der 1990er Jahre an der Universität Ankara entstanden und verbreitet seit 1996 ihre Ideen durch die islamwissenschaftlich-theologische Zeitschrift „islamiyat“ dem türkischen Publikum. Der Qur’ân wird hier nicht als zeitlose Offenbarung betrachtet, sondern sei aktuelle Rede Gottes an eine bestimmte Gruppe Menschen zu einer bestimmten Zeit. Demzufolge ließe sich die übergeschichtliche Botschaft des Qur’âns erst durch Aufarbeitung seines Textes in diesem historischen Kontext entnehmen. So sei die Annahme der normativen Vorschriften inakzeptabel. Aus diesem Grunde wird meist die Definition der übergeschichtlichen Ereignisse recht schwierig.
Das hat laut "Die Zeit" zur Folge, dass die Autorin trotz ihrer völlig richtigen Aussage, dass der Islam mit dem Verstand korrespondieren müsse, zu solchen Schlussfolgerungen kommen kann, z.B. dass ein gläubiger Muslim Alkohol trinken dürfe, wenn auch in Maßen. Gegenteilige und eindeutige Texte des Qur’ân werden hier schlicht negiert bzw. als nicht mehr gültig erachtet, was zwangsläufig zu Widerspruch führen muss. Er muss auch nicht fünf Mal am Tag beten, um seinem Gott nahe zu sein. Und eine Muslimin muss kein Kopftuch tragen - "korrekte islamische Kleidung" gäbe es sowieso nicht. Außerdem seien laut Qur’ân Frauen und Männer in allen Lebensbereichen gleichberechtigt. (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2011-01/islam-buch-akguen).
Das vermeintlich nicht bestehende Alkoholverbot und die angebliche Nichtpflicht zum Gebet hatte sie auf der Schweriner Lesung allerdings nicht angesprochen, sei aber der Vollständigkeit und zum Verständnis insgesamt hier mit erwähnt.
Des Weiteren kritisiert sie leidenschaftlich die Verschleierung der Frau. Sie verkündete, dass ein bekannter Theologe die Qur’ân-Stelle, wo vom Bedecken der weiblichen Scham die Rede sei (Qur'ân 24:31), etwas lakonisch gesagt habe, dass man seitens der Männer inzwischen die ganze Frau als Schamzone betrachte. Dass dies so gar nicht im Qur’ân steht, sondern, dass es um Scham im Sinne von Keuschheit schlechthin bzw. nicht um Körperpartien (z.B. Schamgegend als Sexualorgan) geht, wurde hier ausgeklammert. Sie sagte, dass sie v.a. die Vollverschleierung ablehnt.
Auch verwies sie darauf, dass es in Deutschland gewisse Umgangsformen als ungeschriebene Gesetze gibt, so dass etwa das Nicht-die-Hand-Geben bei einer Frau inakzeptabel sei. Und sie meinte, dass es bei einer Anerkennung der Bedeckungspflicht der Frau dies für Männer doch genauso gelten müsse. Diese Aussage wurde vom vornehmlich weiblichen und nichtmuslimischen Publikum mit tosendem Beifall honoriert. Die Verhüllung der Frau sei ohnehin nur eine Erfindung der Männer.
Man kann sicher noch viel mehr anführen, was die Autorin gesagt hatte und was mit großem Beifall aufgenommen wurde. An dieser Stelle sei es genug der Beispiele.
Kommentar
Worum es hier nun aber im Folgenden gehen soll, ist vielmehr einiges zur Methodik, zur Art der Vermittlung von Inhalten auf dieser Lesung.
Zunächst muss berücksichtigt werden, dass das Publikum zumeist weiblich und v.a. in Sachen Islam bzw. Qur’ân kaum oder nicht kundig ist. Es ist vorstellbar, dass dies bei ihren Lesungen die Regel ist. Hinzu kommt die im Vortrag immer wieder fast schon gebetsmühlenartig postulierte Abstammung von einer hochgebildeten und islamisch-theologisch geschulten Familie, was dem Publikum sagen soll, dass alles stimme, was da zum Islam gesagt wird, nach dem Motto „Die müssen es ja wissen“. Nur einmal wurde beiläufig erwähnt im Zusammenhang mit ihrer Mentorin Prof. Dr. Bilkin, dass dies die sog. liberal-islamische Lehrmeinung jener Schule von Ankara darstellt, d.h. lediglich einer einzelnen Schule mit ihrer eigenen Interpretationsweise, die von den meisten Muslimen nicht geteilt wird, also vielleicht aus eigener Sicht revolutionär aber dennoch nicht repräsentativ bedeutsam sein kann.
Allein schon die Begrifflichkeit ihrer Selbstsicht ist problematisch. Was ist eigentlich eine liberale Muslimin? Indem die „liberalen Muslime“ etwa in Deutschland für sich beanspruchen, diverse Lehren anders interpretieren zu müssen und Verfassungskonformität des Islam herzustellen, sagen sie ja indirekt damit, dass die anderen Muslime dies nicht wollen. Ein nicht-liberaler Muslim, meist als orthodox bezeichnet, ist ein Befürworter der Parallelgesellschaft und der prinzipiellen Opposition zum Grundgesetz. Man suggeriert mit dem Begriff „liberal“, worin ja auch so etwas wie „freiheitlich“ steckt, dass die anderen Muslime das Gegenteil davon sind. Diese fast schon als manichäisches Weltbild von Gut und Böse, Schwarz und Weiß oder Dunkel und Licht anmutende Sichtweise vermittelt einen elitären Standpunkt des besseren Muslims. Man gibt sich außerordentlich tolerant gegenüber der deutschen Gesellschaft, was ja dem Publikum gewiss gut gefällt. Andererseits ist die Toleranz, so auch von der Autorin auf ihrer Lesung mehrfach wortwörtlich geäußert, gegenüber Muslimen schnell zu Ende, wenn es z.B. um Verschleierung, Händeschütteln oder Verhaltensweisen geht, die nicht (ihrer) Norm entsprechen. Der Muslima bzw. den Muslimen wird ihr Recht, etwas nicht zu mögen oder zu wollen im Grunde abgesprochen, indem sie bei solcher Haltung als nicht gesellschaftskonform eingestuft werden, fast schon als Verfassungsgegner. Das zeugt nicht von liberaler und toleranter Haltung. Das ist eine subtile und zuweilen aber auch schon eine recht offene Zurechtweisung Anderer, die man nicht anders sein lassen will. Das hat nichts mit Toleranz zu tun.
Dass sie der Muslima im Grunde pauschal Integrationsbereitschaft, Verfassungskonformität oder allgemeiner Normen entsprechende Lebensweise abspricht, nur weil sie einen Schleier trägt oder ungern einem fremden Manne die Hand gibt, zeugt kaum von liberaler und toleranter Haltung, da dies ihrerseits durchaus eine Art Diskriminierung darstellt, welche alles andere als tolerant ist. Sie meint, dass man sich anpassen müsse, um den hier herrschenden Normen und Regeln zu entsprechen. Dabei übersieht sie, dass sie ihrerseits bereits pauschal eine große Gruppe von Menschen in ein Schubfach steckt und diese darin misst. Vorgebrachte Hinweise und Erwiderungen beantwortete sie in der Regel stets auf die gleiche Weise: Der andere hat ja einerseits durchaus recht und möge das Gesagte keinesfalls als Anordnung fürs Leben betrachten, aber er müsse sich anpassen usw. Da die Autorin hier und anderswo immer wieder z.T. starken Beifall findet bei gefälligen und gängigen Postulaten, geraten die anwesenden nicht-liberalen Muslime in eine gewisse Ecke, aus der es schwer ist, dem längst von der Autorin vereinnahmten Publikum mit Vernunft und Logik und möglichst wissend andere Denkweisen wertneutral vermitteln zu können. Das Publikum feiert die Autorin fast schon frenetisch, obwohl ihre Aussagen, bereichert vom Thema Islam, eher altbekannte und ohne den Bezug zum Islam möglicherweise langweilige Feminismus—Thesen vertritt.
Man kann nach alledem auch schlussfolgern, dass solche Veranstaltungen etwas Manipulatives haben. Die Autorin trägt vornehmlich vor einem weiblichen und nichtmuslimischen Publikum als Frau bzw. als liberale Muslima sich bezeichnend „ketzerische“ Thesen vor, die großen Beifall finden, da die z.T. alten und neu verpackten Thesen gefallen, indem die Autorin sich bewusst sein dürfte, dass das Publikum in Sachen Islam und Qur’ân eher ahnungslos ist. Das Publikum baut auf dem vermeintlichen umfassenden und perfekten Wissen der Autorin darauf, dass alles, was sie sagt, wohl so und nicht anders sein müsse. Dafür sorgt sie durch ihre wiederholten Aussagen zu ihrem familiären und edukativen Hintergrund. Hinzu kommt, dass sie immer wieder sagt, dass sie von vielen Muslimen angefeindet würde, ja sogar bedroht worden sei, was ja nicht ausgeschlossen werden kann, so dass sie quasi schon zu Lebzeiten auch schon einen gewissen Märtyrernimbus hat. Sie untermauert die durchaus realen Bedrohungen dieser Gesellschaft mit ihrer eigenen Situation und vermittelt den Eindruck einer besonders gefährdeten bekannten Persönlichkeit. Ihr Hinweis auf ihre Facebook-Seite mit Tausenden oder gar zigtausenden Zuschriften pro und contra sollte dieses wohl untermauern. Schaut man sich die Facebookseite indes an, kann man diese Tausenden und zigtausenden nicht feststellen. Es sind überschaubar viele Kommentare vorhanden, nicht aber diese Fülle. Wurde hier nicht ein wenig übertrieben?
Dass sie nicht nur aus einem Buche vortrug, liegt vielleicht daran, dass sie einen Aufhänger braucht, um das Publikum emotional für sich rasch einzunehmen. Denn Lachen befreit und bringt Menschen einander näher. Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Das Buch „Tante Semra im Leberkäseland“ diente möglicherweise eher dazu das Publikum auf das andere „ernste“ Buch vorzubereiten. Wäre die Autorin nur mit dem Buch „Aufstand der Kopftuchmädchen“ aufgetreten, hätte sie ungleich mehr erklären und tun müssen, um das Publikum für sich zu gewinnen. So hat sie die relative Unwissenheit mit dem Charme ihrer Erzählkunst gewürzt und relativiert, so dass die daraus resultierende Speise für das Publikum aromatisch und wohlschmeckend war, während die anwesenden Muslime, sobald sie merkten, wohin der sprichwörtliche Hase läuft, sich zusehends unwohl fühlten und nach den anfangs auch sie begeisternden literarischen Exkursen nun eine merkwürdige Erlahmung ihrer Arme verspürten, wenn Beifall aufkam. Denn immer, wenn die Autorin eine These verkündete, die Gefallen fand und mit Beifall bedacht worden ist, obwohl die Muslime sich bewusst waren, dass diese entweder interpretierbar, oberflächlich oder sogar irrig ist, hatten diese kaum eine Chance sich zu artikulieren.
Und hier lag ein weiteres Problem dieser Lesung, was vielleicht hätte organisatorisch anders geregelt werden können. Denn die Zeit war begrenzt. Während die Autorin ausgiebig vortragen konnte und zwischendurch von der Moderatorin interviewt wurde, gab man erst reichlich spät die Runde frei für eine Diskussion von relativ kurzer Dauer. Insbesondere die muslimischen Schwestern hatten versucht, sachlich dafür zu plädieren, dass man doch bitte jeden Versuch, das Tragen islamischer Kleidung als nicht akzeptabel zu sehen und in Frage zu stellen, unterlassen möge, da dies gegen die Freiheit der eigenen Entscheidung verstößt. Der Vorsitzende des Islamischen Bundes verwies ebenfalls auf die Gefahr eines liberalen Zwanges als einer beinahe-Diktatur hin, wenn Menschen daran gehindert werden sollen, sich ihren Vorstellungen entsprechend zu kleiden. Der Hinweis auf die nicht normgerechte Kleidung von Punkern oder anderen sog. Randgruppen wurde nur damit beantwortet, dass ja jeder frei sei – aber beantwortet wurde diese Frage eigentlich nicht wirklich. Bei Muslimen war es stets etwas anderes. Das kann als Argument indes nicht genügen. Und wegen der Kürze der Zeit und des strengen terminlichen Regimes der Räumung des Saales kam der Vorsitzende des Islamischen Zentrums dann auch nicht mehr dazu, darauf hinzuweisen, dass Toleranz nicht mit zweierlei Maß geübt werden sollte oder dass diversen von der Autorin gemachte Aussagen zum Qur’ân, etwa dass die Bekleidungsvorschriften für die Frau reine Erfindung der Männer seien und im Qur’ân derlei gar nicht stehen würden usw., widersprochen werden müsse, da dieses sehr wohl im Qur’ân zu finden ist* wie auch in der Sunna des Propheten (as).
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* 24. Sura an-Nur Vers 31: „ Und sage den gläubigen Frauen, daß sie ihre Blicke senken und ihre Keuschheit [andere übersetzen "Scham"] wahren und ihre Reize nicht zur Schau stellen sollen, außer was (anständigerweise) sichtbar ist; und daß sie ihre Tücher über ihren Busen schlagen und ihre Reize nur ihren Ehegatten zeigen sollen oder ihren Vätern oder den Vätern ihrer Ehegatten oder ihren Söhnen oder den Söhnen ihrer Ehegatten oder ihren Brüdern oder den Söhnen ihrer Brüder oder den Söhnen ihrer Schwestern oder ihren Frauen oder denen, die sie von Rechts wegen besitzen, oder ihren Dienern, die keinen Geschlechtstrieb mehr haben, oder Kindern, welche die Blöße der Frauen nicht beachten. Und sie sollen ihre Beine nicht so schwingen, daß Aufmerksamkeit auf ihre verborgene Zierde fallt. Und bekehrt euch zu Allah allzumal, o ihr Gläubigen, damit es euch wohl ergehe.“; 33. Sura al-Ahzab Vers 59: „O Prophet! Sage deinen Frauen und deinen Töchtern und den Frauen der Gläubigen, daß sie etwas von ihrem Übergewand über sich ziehen sollen. So werden sie eher erkannt und (daher) nicht belästigt. Und Allah ist verzeihend, barmherzig.“
Der Hijab ist somit eine eindeutige Bestimmung des heiligen Qur‘ân. Es herrscht kein Zweifel aller Muslime bezüglich des Hijabs. Dennoch sollen alle islamischen Bestimmungen aus einem freien Willen heraus durchgeführt werden. Wenn eine Person, nachdem sie Gewissheit über diese Bestimmung erhält, sie nicht befolgt, begeht sie eine Sünde, tritt aber selbstverständlich nicht aus dem Glauben aus. Jede Schwester kann sich, basierend auf den beiden genannten Versen, die Bestimmung des Hijabs bewusst werden lassen und aus freiem Willen heraus entscheiden.
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Nicht thematisiert werden konnte ebenfalls, dass ihre Behauptung, dass das in der 4. Sure Vers 34 genannte Schlagen der Frau derart eindeutig sei, dass man es nur als Gewalt gegenüber Frauen verstehen könne und das entsprechende Wort im arabischen Text nur diese eine Bedeutung habe. Den Vers nannte sie „Schlagen-Vers“ und er sei Teil der Sure „die Weiber“(sic!), wobei sie betonte, dass dies eine typische Übersetzung sei, welche von Männern kommt. Sie baut auch hier offenbar auf dem Unwissen des Publikums, denn diese Übersetzungsweise von arabischem „an-nisâ‘“ stammt noch von Ludwig Ullmann oder Max Henning aus dem 19. Jahrhundert und wird längst mit „die Frauen“ in allen deutschen Übersetzungen bedacht. „Die Weiber“ ist so, wie es von der Autorin auch mimisch ausgedrückt worden ist, d.h. mit einer geradezu emphatischen Vortragsweise dieses Titels, um den frauenverachtenden Machismo aufzuzeigen, gar nicht von den Muslimen formuliert worden, sondern von deutschen Übersetzern, welche den damaligen normalen Wortgebrauch anwandten: Mann/Weib oder Herr/Frau, ersteres fürs gemeine Volk, letzteres für Adlige und Hochgestellte. Und die Behauptung, dass das betreffende Wort im Vers, nur schlagen hieße, kann leicht widerlegt werden. So kennt z.B. das große und sicherlich auch ihr bekannte 8-bändige Arabic-English Lexicon von William Lane in Band 5 auf immerhin 16 Seiten (S. 1777-1783) gut 25(!) verschiedene Bedeutungen. Eine für den Vers sehr plausible Bedeutungsgruppe wäre z.B. „sich abwenden“, „fortgehen“, „ignorieren“ oder „sich distanzieren“. Dieses Lexikon findet man auch leicht im Internet online und als Download. In den klassischen arabischen Wörterbüchern sollen gar ca. 100 Bedeutungen vorkommen! Die Mehrheit der Übersetzer wie Kommentatoren, einschließlich der meisten muslimischen Gelehrten der Vergangenheit und Gegenwart, gehen traditionell indes vom Schlagen aus, vom Strafen, Züchtigen oder aber „zurechtweisen“ (Muhammad Ali, Lahori-Ahmadiyya-Ausgabe), was eine weitere Variante wäre. Dieser Vers gehört zu den interpretierbaren Versen und ist keineswegs von starrer Bedeutung wie behauptet.
Angesprochen werden konnte auch nicht mehr die Kritik an der Methodik der Beeinflussung des Publikums mit dem Wissen um dessen relatives Unwissen unter Suggestion einer vermeintlichen Allwissenheit, die eine Illusion ist.
Fazit
Mit solchen Argumenten muss man sich auseinandersetzen. Natürlich ist jede Gewalt, verbal wie tätlich, ein absolutes Tabu. Da hat niemand ein Recht. Denn auch Frau Dr. Akgün hat das gute Recht, ihre Meinung zu äußern, sei es im Wort oder als Autorin in einem Buch. Man kann Toleranz nur einfordern, wenn man selbige übt und den anderen auch aushält. Ansonsten wäre es besser, dass man einer solchen Lesung fernbleibt.
Gleichwohl ist es aber geboten, Argumenten argumentativ und respektvoll entgegenzutreten, wenn man diesen etwas entgegen zu setzen hat. Man hat das Recht, den Finger auf die Wunde zu legen. Nur so ist es möglich, ein friedliches Miteinander hin zum gesellschaftlichen Frieden zu erreichen, in dem auch kontroverse Ansichten ihren Platz haben dürfen, ohne dass der eine dem andern gleich alles Übel der Welt an den Hals wünscht. Man wird sich möglicherweise hier und da nicht einigen können. Sei’s drum! Das gehört nun einmal dazu. Ob nun nüchtern oder mit Leidenschaft.
Am Schluss dieser Gedanken darf ich Frau Dr. Akgün Dank sagen für ihren Beitrag, indem sie mich dazu bewog, mir Gedanken über ihre Arbeit zu machen, welches auch ein Stück Selbstreflektion ist und hilft, ein Stückweg eigene Position neu zu justieren.
Haiko Hasan Hoffmann
Schwerin, den 09.10.2013
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