zu 2.) Der Passus
"Hayya 'ala chairil 'amal" (Eilet zur guten Tat!) ist fester Bestandteil des
ursprünglichen Adhan. Es gibt Belege, die zeigen, dass ursprünglich dieser Passus Teil des Adhan war, welcher später zur Regentschaft des Kalifen Umar ibn al-Chattab aber herausgenommen worden ist. Der Überlieferung nach soll es aus dem Grund geschehen sein, weil der Kalif befürchtet habe, dass die Leute womöglich das Gebet bewusst gegenüber dem Djihad vorziehen würden. Bilal (ra) hat der Überlieferung nach diesen Passus noch im Adhan verwendet. In Maliks al-Muwatta' (in der Rezension von Muhammad b. al-Hasan ash-Shaybani, merkwürdigerweise aber nicht in der von Yahya b. Yahya al-Laythi) wird immerhin gesagt, dass noch Ibn 'Umar diesen gelegentlich gebrauchte (Kairo 1951, Band I, Seite 72). Der Rezensent ash-Shaybani vertrat indes die Ansicht, dass dieser Passus nur fabriziert sein könne. Später sagt dieses auch noch einmal Ibn Hazm in seinem "Kitab al-Muhalla" (Kairo 1951, Band III, Seiten 160-161). Die Behauptung einer Fälschung hat aber wohl eher antischiitischen polemischen Charakter, da allein schon der Isnad darauf hinweist, dass dies der klassische Standard-Isnad von Medina war: Malik - Nafi' - Ibn 'Umar. Diese Überlieferung befindet sich gemäß Ibn Hazm auch in Sunan al-Baihaqi (Ibn Hazm Kitab al-Muhalla" (Kairo 1951, Band I, Seiten 424-425, Fußnote mit Zitat aus Sunan al-Baihaqi). (vgl. I.K.A. Howard, The Developement of The Adhan and Iqama of the Salat in Early Islam, in: Journal of Islamic Studies XXV/2, Manchester Autumn 1981, S. 219ff -
http://jss.oxfordjournals.org/cgi/reprint/26/2/219.pdf ).
Übrigens: Der Passus
"As-Salatu chairun min an-naum " (Das Gebet ist besser als der Schlaf") im Adhan zum Morgengebet ist eine
bid'a (Neuerung), die vom Kalifen Umar eingeführt worden ist. In der englischen Übersetzung von Imam Maliks Werk "al-Muwatta'" lautet der Hadith wie folgt: "Yahya related to me from Malik that he had heard that the muadhdhin came to Umar ibn al-Khattab to call him to the subh prayer and found him sleeping, so he said, "Prayer is better than sleep," and Umar ordered him to put that in the adhan for subh . ["Yahya hat mir von Malik überliefert, dass dieser gehört habe, dass der Mu'addhin zu Umar ibn al-Chattab gekommen sei, um ihn zum Gebet zu rufen, indem er ihn schlafend vorfand, so dass er sprach: "Das Gebet ist besser als der Schlaf". Darauf befahl ihm Umar, dieses in den Adhan für das Morgengebet einzufügen." -
Book 3, Number 3.1.8]
arabischer Text:
قال مالك، بَلَغَنا أن عمر بن الخطاب رضي الله عنه جاءه المؤذِّن يُؤْذِنُهُ لصلاةِ الصبح فوجده نائماً فقال المؤذِّنُ: الصَّلاةُ خيرٌ من النوم، فأمره عمر أن يجعلها في نداء الصبح.
Nach alledem lässt sich gewiss sagen, dass die Schiiten mit dem Passus "hayya ala chairil amal" keine Bid'a (Neuerung) eingeführt haben, sondern dass diese in Wahrheit die ursprüngliche Form des Adhan bis heute bewahren, auch wenn Neuerungen, die auch durch Weglassungen geschehen können, die Mehrheit der Muslime dazu bringt, die ursprüngliche Form zu vergessen gemäß dem umayyadischen und abbasidischen Geiste - wenn da nicht die Schiiten wären. Es nimmt also nicht wunder, dass man den Schiiten dieses übelnimmt, weil sie bis heute verhindern, dass dieser Umstand wirklich in Vergessenheit gerät.
Stellt sich dann aber nur noch die einfache Frage: Warum will man es vergessen machen?
Wenn man die islamische Geschichte, insbesondere die der Frühzeit studiert, wird man auf Vieles stoßen, was bei Ehrlichkeit in der Suche und Mut zur Erkenntnis nur zu einem Grundschluss führen kann: Es ist nicht alles so gelaufen und es ist nicht alles so gegeben, wie es für die meisten aussieht.
Selbst das Wetter konnte gemäß Überlieferungen den Adhan verändern, nämlich bei sehr schlechtem, kalten oder stürmischem Wetter bei Nacht:
Überliefert von Nafi`: Einmal, in einer kalten Nacht, sprach Ibn `Umar den Adhan für das Gebet am Dajnan (der Name eines Berges) aus und sagte dann: "Betet in euren Häusern [a-lā ṣallū fī r-riḥāl]", und berichtete uns, dass Allahs Gesandter (ﷺ) den Mu'adh-dhin zu sagen pflegte, dass sie den Adhan aussprechen und am Ende des Adhans in einer regnerischen oder sehr kalten Nacht während der Reise sagen sollten: "Betet in euren Häusern"."]
حَدَّثَنَا مُسَدَّدٌ، قَالَ أَخْبَرَنَا يَحْيَى، عَنْ عُبَيْدِ اللَّهِ بْنِ عُمَرَ، قَالَ حَدَّثَنِي نَافِعٌ، قَالَ أَذَّنَ ابْنُ عُمَرَ فِي لَيْلَةٍ بَارِدَةٍ بِضَجْنَانَ ثُمَّ قَالَ صَلُّوا فِي رِحَالِكُمْ، فَأَخْبَرَنَا أَنَّ رَسُولَ اللَّهِ صلى الله عليه وسلم كَانَ يَأْمُرُ مُؤَذِّنًا يُؤَذِّنُ، ثُمَّ يَقُولُ عَلَى إِثْرِهِ، أَلاَ صَلُّوا فِي الرِّحَالِ. فِي اللَّيْلَةِ الْبَارِدَةِ أَوِ الْمَطِيرَةِ فِي السَّفَرِ.
(Sahih al-Bukhari 632; In-book reference: Book 10, Hadith 29; USC-MSA web (English) reference: Vol. 1, Book 11, Hadith 605)
Überliefert von Nafi`: Einmal, in einer sehr kalten und stürmischen Nacht, verkündete Ibn `Umar den Adhan zum Gebet und sagte dann: "Betet in euren Häusern. [a-lā ṣallū fī r-riḥāl]" Er (Ibn `Umar) fügte hinzu. "In sehr kalten und regnerischen Nächten pflegte der Gesandte Allahs den Mu'adh-dhin zu befehlen: 'Betet in euren Häusern.' "
حَدَّثَنَا عَبْدُ اللَّهِ بْنُ يُوسُفَ، قَالَ أَخْبَرَنَا مَالِكٌ، عَنْ نَافِعٍ، أَنَّ ابْنَ عُمَرَ، أَذَّنَ بِالصَّلاَةِ فِي لَيْلَةٍ ذَاتِ بَرْدٍ وَرِيحٍ ثُمَّ قَالَ أَلاَ صَلُّوا فِي الرِّحَالِ. ثُمَّ قَالَ إِنَّ رَسُولَ اللَّهِ صلى الله عليه وسلم كَانَ يَأْمُرُ الْمُؤَذِّنَ إِذَا كَانَتْ لَيْلَةٌ ذَاتُ بَرْدٍ وَمَطَرٍ يَقُولُ أَلاَ صَلُّوا فِي الرِّحَالِ.
(Sahih al-Bukhari 666; In-book reference: Book 10, Hadith 60; USC-MSA web (English) reference: Vol. 1, Book 11, Hadith 635)
Erzählt hat `Abdullah bin Al-Harith: Einmal, an einem regnerischen, schlammigen Tag, hielt Ibn `Abbas eine Predigt in unserer Gegenwart, und als der Mu'adhdhin den Adhan aussprach und sagte: "Haiyi `ala-s-sala(t) (kommt zum Gebet)", befahl Ibn `Abbas ihm zu sagen: "Betet in euren Häusern“ [aṣ-ṣalātu fī r-riḥāl]. Die Leute fingen an, sich gegenseitig (verwundert) anzuschauen. Ibn `Abbas sagte. "Es wurde von einem getan, der viel besser war als ich (d.h. der Prophet (ﷺ) oder sein Mu'adh-dhin), und es ist eine Lizenz.
حَدَّثَنَا مُسَدَّدٌ، قَالَ حَدَّثَنَا حَمَّادٌ، عَنْ أَيُّوبَ، وَعَبْدِ الْحَمِيدِ، صَاحِبِ الزِّيَادِيِّ وَعَاصِمٍ الأَحْوَلِ عَنْ عَبْدِ اللَّهِ بْنِ الْحَارِثِ قَالَ خَطَبَنَا ابْنُ عَبَّاسٍ فِي يَوْمٍ رَدْغٍ، فَلَمَّا بَلَغَ الْمُؤَذِّنُ حَىَّ عَلَى الصَّلاَةِ. فَأَمَرَهُ أَنْ يُنَادِيَ الصَّلاَةُ فِي الرِّحَالِ. فَنَظَرَ الْقَوْمُ بَعْضُهُمْ إِلَى بَعْضٍ فَقَالَ فَعَلَ هَذَا مَنْ هُوَ خَيْرٌ مِنْهُ وَإِنَّهَا عَزْمَةٌ.
(Sahih al-Bukhari 616; In-book reference: Book 10, Hadith 14; USC-MSA web (English) reference: Vol. 1, Book 11, Hadith 590)
Ibn Sirin sagte: Ibn 'Abbas sagte zu seinen mu'adhdhin an einem regnerischen Tag: "Wenn ihr die Worte "Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Allahs ist" aussprecht, sagt nicht "Kommt zum Gebet", sondern sagt "Betet in euren Häusern" [ṣallū fī buyūtikum], worüber die Leute überrascht waren. Er sagte: Einer, der besser war als ich, hat es getan. Das Freitagsgebet ist eine obligatorische Pflicht. Aber ich wollte euch nicht in Bedrängnis bringen, damit ihr in Schlamm und Regen geht.
حَدَّثَنَا مُسَدَّدٌ، حَدَّثَنَا إِسْمَاعِيلُ، أَخْبَرَنِي عَبْدُ الْحَمِيدِ، صَاحِبُ الزِّيَادِيِّ حَدَّثَنَا عَبْدُ اللَّهِ بْنُ الْحَارِثِ ابْنُ عَمِّ، مُحَمَّدِ بْنِ سِيرِينَ أَنَّ ابْنَ عَبَّاسٍ، قَالَ لِمُؤَذِّنِهِ فِي يَوْمٍ مَطِيرٍ إِذَا قُلْتَ أَشْهَدُ أَنَّ مُحَمَّدًا رَسُولُ اللَّهِ . فَلاَ تَقُلْ حَىَّ عَلَى الصَّلاَةِ . قُلْ صَلُّوا فِي بُيُوتِكُمْ . فَكَأَنَّ النَّاسَ اسْتَنْكَرُوا ذَلِكَ فَقَالَ قَدْ فَعَلَ ذَا مَنْ هُوَ خَيْرٌ مِنِّي إِنَّ الْجُمُعَةَ عَزْمَةٌ وَإِنِّي كَرِهْتُ أَنْ أُحْرِجَكُمْ فَتَمْشُونَ فِي الطِّينِ وَالْمَطَرِ .
(Sunan Abi Dawud 1066; In-book reference: Book 2, Hadith 677; English translation : Book 2, Hadith 1061 - Sahih gemäß Al-Albani)
Erzählt hat `Abdullah bin Al-Harith: Ibn `Abbas sprach zu uns an einem (regnerischen und) schlammigen Tag, und als der Mu'adh-dhin sagte: "Kommt zum Gebet", befahl Ibn `Abbas ihm zu sagen: "Betet in euren Häusern. [aṣ-ṣalātu fī r-riḥāl]" Die Leute sahen einander überrascht an, als ob ihnen das nicht gefiele. Ibn `Abbas sagte: "Es scheint, daß ihr schlecht darüber denkt, aber zweifellos wurde es von einem verrichtet, der besser war als ich (d.h. der Prophet). Es (das Gebet) ist ein strenger Befehl, und ich wollte euch nicht herausholen." Ibn `Abbas erzählte dasselbe wie oben, aber er sagte: "Ich mochte nicht, dass ihr euch versündigt (indem ihr nicht in die Moschee geht) und dass ihr (in die Moschee) bis zu den Knien mit Schlamm bedeckt kommt."
حَدَّثَنَا عَبْدُ اللَّهِ بْنُ عَبْدِ الْوَهَّابِ، قَالَ حَدَّثَنَا حَمَّادُ بْنُ زَيْدٍ، قَالَ حَدَّثَنَا عَبْدُ الْحَمِيدِ، صَاحِبُ الزِّيَادِيِّ قَالَ سَمِعْتُ عَبْدَ اللَّهِ بْنَ الْحَارِثِ، قَالَ خَطَبَنَا ابْنُ عَبَّاسٍ فِي يَوْمٍ ذِي رَدْغٍ، فَأَمَرَ الْمُؤَذِّنَ لَمَّا بَلَغَ حَىَّ عَلَى الصَّلاَةِ. قَالَ قُلِ الصَّلاَةُ فِي الرِّحَالِ، فَنَظَرَ بَعْضُهُمْ إِلَى بَعْضٍ، فَكَأَنَّهُمْ أَنْكَرُوا فَقَالَ كَأَنَّكُمْ أَنْكَرْتُمْ هَذَا إِنَّ هَذَا فَعَلَهُ مَنْ هُوَ خَيْرٌ مِنِّي ـ يَعْنِي النَّبِيَّ صلى الله عليه وسلم ـ إِنَّهَا عَزْمَةٌ، وَإِنِّي كَرِهْتُ أَنْ أُحْرِجَكُمْ. وَعَنْ حَمَّادٍ عَنْ عَاصِمٍ عَنْ عَبْدِ اللَّهِ بْنِ الْحَارِثِ عَنِ ابْنِ عَبَّاسٍ نَحْوَهُ، غَيْرَ أَنَّهُ قَالَ كَرِهْتُ أَنْ أُؤَثِّمَكُمْ، فَتَجِيئُونَ تَدُوسُونَ الطِّينَ إِلَى رُكَبِكُمْ.
(Sahih al-Bukhari 668; In-book reference: Book 10, Hadith 62; USC-MSA web (English) reference: Vol. 1, Book 11, Hadith 637)
Überliefert von Nafi`: Einmal, in einer sehr kalten und stürmischen Nacht, verkündete Ibn `Umar den Adhan zum Gebet und sagte dann: "Betet in euren Häusern." Er (Ibn `Umar) fügte hinzu. "In sehr kalten und regnerischen Nächten pflegte der Gesandte Allahs (ﷺ) den Mu'adh-dhin zu befehlen, zu sagen: 'Betet in euren Häusern.' [a-lā ṣallū fī r-riḥāl]"
حَدَّثَنَا عَبْدُ اللَّهِ بْنُ يُوسُفَ، قَالَ أَخْبَرَنَا مَالِكٌ، عَنْ نَافِعٍ، أَنَّ ابْنَ عُمَرَ، أَذَّنَ بِالصَّلاَةِ فِي لَيْلَةٍ ذَاتِ بَرْدٍ وَرِيحٍ ثُمَّ قَالَ أَلاَ صَلُّوا فِي الرِّحَالِ. ثُمَّ قَالَ إِنَّ رَسُولَ اللَّهِ صلى الله عليه وسلم كَانَ يَأْمُرُ الْمُؤَذِّنَ إِذَا كَانَتْ لَيْلَةٌ ذَاتُ بَرْدٍ وَمَطَرٍ يَقُولُ أَلاَ صَلُّوا فِي الرِّحَالِ.
(Sahih al-Bukhari 666; In-book reference: Book 10, Hadith 60; USC-MSA web (English) reference: Vol. 1, Book 11, Hadith 635)
Es sind hierzu also mindestens vier Varianten überliefert zu einem Zusatz im Āḏān entweder am Ende des Adhan oder nach „Ašhadu anna Muḥammadan rasūlullāh“ im Falle sehr schlechten, kalten oder stürmischen Wetters bei Nacht:
1. “a-lā ṣallū fī r-riḥāl” [wörtl. „So betet in den Quartieren!“],
2. “ṣallū fī r-riḥāl” [wörtl. „Betet in den Quartieren!“],
3. “aṣ-ṣalātu fī r-riḥāl” [wörtl. „das Gebet (sei) in den Quartieren!“] und
4. “ṣallū fī buyūtikum” [wörtl. „Betet in euren Häusern!“]
[wird fortgesetzt, insha Allah]
Im Gegensatz zum Gebetsaufruf [iqama] wird der Gebetsruf mit Betonung und Klang verlesen, wobei die musikalischen Betonung nicht festgelegt ist und daher stark variiert.
Das Gebetsaufruf beinhaltet das Glaubensbekenntnis [schahada] sowie die Größenpreisung [takbirat]. In der dschafaritischen Rechtsschule besteht Konsens darüber, dass der dritte Satz: "
Ich bezeuge dass Ali der Statthalter Allahs ist" kein Bestandteil des Gebetsrufs selbst ist sondern als empfohlene [mustahab] Aussage hinzugefügt wurde, da sie erst mit dem Ableben des Prophet Muhammad (s.) relevant wurde und von den Ahl-ul-Bait (a.) betätigt und unterstütz wurde. Hingegen wird die Aussage "
Das Gebet ist besser als der Schlaf" bei Dschafariten nicht akzeptiert, weil sie gemäß Schia erst viel später eingeführt wurde und keine grundsätzlich akzeptable Aussage darstellt. Die Aussage "
Kommt zur allerbeste Handlung" wurde gemäß Schia von Umar ibn Chatab aus dem Gebetsruf entfernt, da er die Anstrengung [dschihad] in seiner Zeit als bedeutsamer einstufte, weil es zu der Zeit viele Kriege gab und der Kalif die Gläubigen [mumin] zum Kampf ermuntern wollte. Dem entgegnen sunnitische Gelehrte, dass selbst wenn es so gewesen sein sollte, was einige bestätigen, dann diese Änderung dennoch akzeptabel ist, da sie von einem nach ihrer Ansicht rechtgeleiteten Kalifen erfolgte. Ähnlich verhält es sich mit dem späteren Zusatz bezüglich
Schlaf und den teilweise unterschiedlichen Anzahl von Lesungen der Passagen.
Der Gebetruf erfolgte früher ausschließlich durch die unverstärkte Stimme von einem hohen Ausrufpunkt aus. Spätere Bauten von Moscheen sahen das Minarett als geeignete Ausrufplattfom an. Inzwischen werden teilweise Lautsprecher verwendet, um dem Stadtlärm übertönen zu können. Der Gebetsruf ist zwar empfohlen aber bei keiner Rechtsschule unabdingbare individuelle Verpflichtung [wadschib-ul-aini] und auch keine Voraussetzung zur Gültigkeit des Ritualgebets. Daher sind oben beschriebene Unterschiede eine Gelegenheit für die Muslime, sich auch mit ihrer Vergangenheit zu beschäftigen und in trauter Einheit dem Ruf zum Ritualgebet zu folgen.
Der Gebetsruf entstammt dem Vorbild [sunna] des Prophet Muhammad (s.): Bei der dschafaritischen, hanefitischen und schafiitischen Rechtsschule ist der Gebetsruf empfohlen. Bei der hanbalitischen Rechtsschule ist der Gebetsruf eine kollektive Verpflichtung [wadschib-ul-kafai] für nichtreisende Männer in allen Städten für die alle täglichen Ritualgebete und für die malikitische Rechtsschule ist es ebenfall kollektive Verpflichtung, allerdings nur in solchen Städten, in denen das Freitagsgebet [salat-ul-dschuma] abgehalten wird. Wenn in derartigen Städten der Gebetruf unterlassen wird, so seien sie dafür gemäß Malikiten zu bekämpfen. Die letztgenannte Rechtsauffassung wird allerdings als äußerst fragwürdig eingestuft und hat keine praktische Relevanz in der heutigen muslimischen Welt. Derartige Nischenmeinungen werden aber bedauerlicherweise oft von manchen "Orientalisten" dafür missbraucht, um den Islam als Ganzes zu diskreditieren.
Der Gebetsruf nach draußen in die Öffentlichkeit gilt nur für Länder mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung. In Ländern mit muslimischer Minderheit erscheint eine Begrenzung des Gebetsrufs auf das Freitagsgebet, wie es mancherorts aus dem Gleichstellungsgrundsatz mit dem kirchlichen Glockenläuten praktiziert wird, kaum sinnvoll, da der Gebetsruf für alle Pflichtgebete gilt. Und es gibt keine einzige islamische Rechtsschule, bei der es religiöse Verpflichtung [wadschib] wäre, den Gebetsruf in einer mehrheitlich nichtmuslimischen Gesellschaft gegen den Willen der Bevölkerung nach Außen zu rufen.
Der Versuch in manchen Ländern den weltweit einheitlich arabischen Gebetsruf per Verordnung in der jeweiligen Landessprache rufen zulassen, wurde von den Muslimen abgewehrt.
Bei einem Neugeborenen ist es empfohlen den Gebetsruf leise in sein rechtes Ohr und den Gebetsaufruf [iqama] in sein linkes Ohr zu flüstern.
Links zum Thema
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[mit freundlicher Genehmigung von
http://www.eslam.de]
siehe auch hier:
http://makarem.ir/squestions/?lid=1&TypeInfo=23&CatID=24329